Adipositas

Stigmatisierung Übergewicht. Was heisst das?

Von Prof. Dr. Jörg Zehetner
21. Juli 2021

Dr. med. Jörg Zehetner zur Problematik Übergewicht und was das für Betroffene bedeutet

Im Rahmen der Vortragsreihe der Helvetius Holding AG hat sich Dr. med. Jörg Zehetner, Professor USC, zur Stigmatisierung Übergewichtiger und den daraus resultierenden Folgen für Betroffene positioniert. In seinem Vortrag in der Saaser-Stube Saas-Fee schilderte der erfahrene Mediziner, der sich auch intensiv mit der Übergewichtsproblematik befasst, die Umstände, mit denen Adipositas-Patienten praktisch Tag für Tag zu leben haben.

Sie sind unter uns

Eingangs des Vortrages stellte Dr. Zehetner klar, dass praktisch jeder die Übergewichtigen kennt. In der eigenen Familie, im Freundeskreis oder in der Runde der Kolleginnen und Kollegen, überall gibt es sie und die Anzahl der Betroffenen nimmt stetig zu. Und das Leben der Patienten mit Übergewicht ist im wahrsten Sinne des Wortes kein leichtes.

Wo die Stigmatisierung beginnt

Guck mal, der Dicke da! Oh, ist die fett. Der Dicke sollte sich mal mehr bewegen. Schau mal, was der im Einkaufskorb hat, dabei ist er doch schon dick genug.

So oder so ähnlich beginnt die Stigmatisierung Übergewichtiger. Ohne die Frage nach dem Woher oder Warum, ohne Rücksicht auf die persönliche Betroffenheit der Menschen werden diese bewusst oder unbewusst in eine Schublade gepackt, in  die sie weder hineingehören, noch sich selbst allein daraus befreien könnten. Neben den flapsigen Bemerkungen gibt es da auch solche, die wirklich weh tun und den Betroffenen kein Stück weiterhelfen.

Vorurteile abbauen

Wer sich tiefergehend mit der Problematik Fettleibigkeit und Adipositas beschäftigt weiss, dass davon Betroffene sehr unter ihrer momentanen Lebenssituation leiden. Ein erster Schritt, dieses Leider zumindest zu verringern wäre der Abbau der landläufigen Vorurteile. Dafür ist immer der beste Moment.

Kampf gegen Übergewicht bedarf eines professionellen Netzwerkes

Kaum ein Übergewichtiger mit schwerwiegender Problematik wird sich der Erkrankung langfristig und erfolgreich allein stellen können. Auch wenn Übergewichtsoperationen mittlerweile ein probates und erfolgreiches Mittel im Kampf gegen die überflüssigen Pfunde sind, braucht es einer gezielten Netzwerkarbeit vor, während und nach dem medizinischen Eingriff. Dafür wurde unter dem Dach der Helvetius Holding AG ein professionelles Netzwerk aufgebaut, das in allen Phasen beratend, begleitend und unterstützend den Patienten zur Seite steht.

Grosse gesellschaftliche Allianz gegen Stigmatisierung notwendig

Das Thema Übergewicht ist allerorten präsent. Nicht nur im Alltag, auch in den Medien begegnet das Thema den Menschen immer häufiger und intensiver, nebst den landläufig bekannten Witzen und Bemerkung zum Thema Übergewicht. Von der Stigmatisierung ist der Weg in die Diskriminierung meist ein sehr kurzer. Dicke Menschen werden mit einer Begriffswelt in Zusammenhang gebracht, die alles andere als angenehm oder wertschätzend ist. Erst recht dann, wenn man diese Menschen persönlich gar nicht kennt. Diese Stigmatisierung reicht weit in das persönliche und gesellschaftliche Leben Betroffener hinein. Selbst das Berufsleben ist dabei nicht ausgeschlossen. Um das zu verändern, ist ein grosser gesellschaftlicher Konsens notwendig.

Schritte aus der Stigmatisierung

Soll der Teufelskreis aus Stigmatisierung und Diskriminierung Übergewichtiger gebrochen werden, bedarf es einer klarer Linie. Und die beginnt genau dort, wo Übergewicht als Krankheit und damit auch als behandelbar und heilbar verstanden wird. Erst dann kann ein aktives Zugehen auf diese Menschen erfolgen, die sich dann auch selbst aktiv ihrer Problematik stellen können, ohne sich weiterhin  verstecken zu müssen.

Ein weiterer Schritt wäre, das Auftreten gegenüber diesen Patienten deutlich zu überdenken. Und zwar in jedem Lebensbereich und in jeder Begegnung mit übergewichtigen Menschen. Erst dann, wenn diesen Menschen das Stigma genommen wird, werden diese auch selbst aktiv in den Prozess ihrer Gesundung einsteigen können. Würde, Respekt und Toleranz sind hier die genau passenden Stichworte.

Wichtig ist, auch übergewichtige Menschen als wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft wahrzunehmen und zu erkennen, dass sie nicht faul, behäbig, unangenehm und wenig leistungsfähig, sondern krank sind. Und gegen Krankheiten kann man etwas tun, auch gegen krankhaftes Übergewicht.

Übergewicht als Krankheit definieren

Wer sich näher mit Übergewicht und Adipositas befasst, wird diese schnell als tatsächliche Krankheiten verstehen können. Wie bei jeder organischen Erkrankung gibt es auch hier klare Definitionen und Entwicklungen, aber auch therapeutische Interventionen, die klar für ein Krankheitsbild sprechen. Ein erster Anhaltspunkt dafür ist die Einteilung in unterschiedliche Klassifizierungen des Übergewichts, ausgehend vom Body Mass Index, BMI.

Auch wenn die Übergewichtschirurgie eine hilfreiche Intervention ist, erreicht sie allein aber nicht die Lösung des Problems. Krankhaftes Übergewicht ist und bleibt eine chronische Krankheit, die einer lebenslangen Aufmerksamkeit, aber keiner geringschätzenden Stigmatisierung bedarf.

Mehr vertiefte Informationen zum Thema gibt es im Videomitschnitt des Vortrages (LINK) und direkt auf den Webseiten der Swiss1Chirurgie .